Otto Steidle: Bewohnbare Bauten
- Drehbuch (Auszüge) -
5. MÜNCHEN,
THERESIENHÖHE – AUSSEN - TAG
Ein gelb-orangefarbener Wohnturm ragt über die
Geschäftsbauten der Theresienhöhe ...
SPRECHER
1: Der Wohnturm der Theresienhöhe. Balkone und
Vorsprünge wachsen asymmetrisch aus der Fassade, wie Zweige
aus einem Baum. Scheinbar zufällig, als Ergebnis der
Philosophie Steidles. Es ist Bewegung an diesen Häusern, ihre
Fassaden sind keine starren Wände. Sie zeigen Leben und
Individualität.
- Einblendung: Wohnhaus Esplanade an der Theresienhöhe, das
auch diese Handschrift Steidles trägt.
... Impressionen des Wohnturms, die eine Vorstellung vom Leben der
Menschen dort vermitteln: Balkone, Wäscheleinen,
geöffnete Fenster ...
SPRECHER
1: Der Turm soll ein warmer Ofen sein, ein Bezugspunkt im
ganzen
Quartier. Steidle bildet ihn als Wohnturm aus, wohl wissend, dass sich
das Leben dort unterscheiden wird von dem anderen Wohnen im Viertel. Im
Wohnturm brennen abends die Lichter, während die
Büros unten in die normalen Quartiere der Stadt integriert
sind ...
- Einblendung: Eine Nachtaufnahme des Wohnturms: Die Geschäfte
im Erdgeschoss verdunkelt, im Wohnbereich leuchten die Fenster.
SPRECHER
1: ...So kehrt der Turm das Image der Hochhäuser
um in ein
herausragendes,
vitales Zeichen im Gefüge Münchens. Seine Architektur
und Farbe betonen die Lebendigkeit einer bewohnbaren Stadt.
(…)
7. BAUERNHOF HARPFING – AUSSEN
- TAG
Stille. Sonnenstrahlen fallen durch die Bäume des Harpfinger
Hofes. Steidles Ehefrau Verena von Gagern (61) erzählt von
Steidles Verbundenheit mit dem Land, davon, wie er seine Felder selbst
bewirtschaftete, mit dem Traktor unterwegs war ...
... Sie führt um die Bauernhäuser, die Steidle einst
selbst baute.
O-TON VERENA VON GAGERN
(Beispiel): Wir hatten ihm geraten, den Hof lieber gleich
anzuzünden, so baufällig war er damals. Für
ihn aber war
es gleich ein Ort, an dem es sich lohnte, weiter zu bauen. Man sollte
dem Hof nur auf keinen Fall ansehen, dass hier ein Architekt zuhause
war. Andererseits gewann er hier Einsichten für seine Arbeit,
die
ihm keine akademische Lehre vermitteln konnte. Das Hinschauen und
Erkennen, was naheliegend ist, das hat er hier in Harpfing gelernt ...
... Sie zeigt Details wie verschnörkelte
Balkongeländer,
Wände, in denen Balken anderer Höfe verarbeitet
wurden, den
Wintergarten, in den die verwitterten Fenster der Münchener
Luisenschule eingebaut wurden, ein Motiv aus dem Ashram in Singapur,
das in die Ziegelmauern integriert wurde ...
O-TON VERENA VON
GAGERN-STEIDLE (Beispiel): Seine Arbeit an der Stadt hing
immer von
seiner Arbeit hier auf dem Land ab. Die geringe Entfernung zwischen
seinem elterlichen Bauernhof und der Innenstadt Münchens
erlebte
er schon als Kind mit großer Aufmerksamkeit für
Beziehungen,
Unterscheidungen und Umkehrungen:
Er fuhr auf dem Traktor über den Königsplatz und in
städtischer Limousine über die Dorfstraße
...
Er sagte, dass ihn erst dieser Hof zu einem guten Architekten gemacht
hat. Seine Frage war immer: Was kann mich ein Bauernhaus über
das
Haus in der Stadt lehren, Oder besser gesagt, ein ländliches
Hofgefüge über ein Stadtviertel? ...
SPRECHER 1: Auch
bei der Planung seiner städtischen Projekte zeigt sich
Steidle stets unkonventionell. Das Leben selbst spricht aus den
Skizzen: Er entwickelt seine Ideen auf Briefumschlägen,
Papierstreifen und Transparentfetzen, mit Bunt- oder Bleistift, Filz-
oder- Kugelschreiber. Keine einzige Zeichnung ist geschönt
für die Präsentation. In ihnen spiegelt sich Steidles
Auseinandersetzung mit den speziellen Problemen der jeweiligen
Bauaufgabe. Genauso vielgestaltig und lebendig wie seine Zeichnungen
ist auch Steidles Architektur- Einblendung von Steidles
unkonventionellen Skizzen, mit Überblendung zu Fotos der
Bauten,
die dann daraus wurden.
Bau der
Universitätsbibliothek Ulm
Alfred-Wegener-Institut,
Bremerhaven
München,
Theresienhöhe, Ganghoferstraße
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